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BGH-Urteil zu Coaching-Programmen: Zulassungspflicht nach dem FernUSG

22. Jul 2025

Mit Urteil vom 12. Juni 2025 (Az. III ZR 109/24) hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt, dass bestimmte digitale Coaching- und Mentoring-Programme als Fernunterricht im Sinne des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG) einzustufen sind. Fehlt die gesetzlich vorgeschriebene Zulassung durch die Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU), ist der gesamte Vertrag nichtig. In der Folge sind bereits gezahlte Entgelte vollständig zurückzuerstatten – selbst dann, wenn Leistungen bereits erbracht wurden.

Was war passiert?

Ein Teilnehmer hatte ein neunmonatiges Business-Mentoring-Programm gebucht, das aus Lehrvideos, Live-Calls, Gruppen- und Einzelcoachings bestand. Nachdem er einen Teil des Programms absolviert hatte, kündigte er den Vertrag und verlangte die Rückzahlung von 23.800 €, mit dem Hinweis auf die fehlende ZFU-Zulassung. Der BGH gab dem Kläger recht – der Vertrag wurde als nichtig bewertet.

Wann liegt zulassungspflichtiger Fernunterricht vor?

Laut BGH ist ein digitales Angebot als Fernunterricht zu bewerten, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:

  • Vertraglich vereinbarte Vermittlung von Wissen oder Fähigkeiten

  • Räumliche Trennung zwischen Anbieter und Teilnehmer (z. B. durch Online-Videos oder Live-Calls)

  • Begleitende Kontrolle des Lernerfolgs, etwa durch Aufgaben, Feedback oder Fragemöglichkeiten

Entscheidend ist nicht die Bezeichnung des Angebots als „Coaching“ oder „Mentoring“, sondern dessen tatsächlicher Aufbau und Zielsetzung.

Auch Unternehmer sind vom FernUSG geschützt

Eine wichtige Klarstellung des Gerichts: Der Schutzbereich des FernUSG umfasst nicht nur Verbraucher, sondern auch Unternehmer (§ 14 BGB). Die häufige Argumentation vieler Anbieter, man richte sich ausschließlich an Selbstständige, ist damit rechtlich unbeachtlich.

Rückzahlungspflicht auch bei erbrachten Leistungen

Besonders brisant ist die Feststellung, dass auch bei teilweiser oder vollständiger Leistungserbringung keine Vergütung geschuldet ist, wenn die erforderliche Zulassung fehlt. Ein Anspruch auf Wertersatz besteht nur, wenn der Anbieter den konkreten Wert der erbrachten Leistungen schlüssig darlegt – was im konkreten Fall nicht gelang.

Handlungsempfehlungen für Anbieter

Für Anbieter digitaler Coaching- oder Mentoring-Programme ergibt sich dringender Handlungsbedarf. Wir empfehlen:

  1. Zulassungsprüfung: Programme mit strukturiertem Lerninhalt und begleitender Betreuung sollten auf ihre Zulassungspflicht nach dem FernUSG hin geprüft werden.

  2. Anpassung der Angebotskommunikation: Formulierungen zu Lernzielen, Wissenstransfer oder Lernerfolg sollten vermieden werden, wenn keine ZFU-Zulassung vorliegt.

  3. Risikobewertung laufender Verträge: Bestehende Verträge sollten auf Rückforderungs- und Haftungsrisiken geprüft werden – auch bei Unternehmerkunden.

  4. Vertragsgestaltung überarbeiten: AGB, Programmbeschreibungen und Marketinginhalte sollten auf rechtliche Fallstricke hin überprüft und angepasst werden.

Fazit

Das Urteil schafft neue rechtliche Klarheit und bringt für viele Anbieter erhebliche Risiken mit sich. Wer strukturierte Coaching- oder Schulungsprogramme digital vertreibt, sollte umgehend prüfen, ob eine Zulassungspflicht besteht – andernfalls drohen Rückzahlungsverpflichtungen und Vertragsanfechtungen.

Weitere Informationen

Die rechtliche Einschätzung basiert auf einem Fachbeitrag von:
Rechtsanwalt Sascha Kugler, Alchimedus Legal, Berlin
www.alchimedus-legal.com

Herzlichst,

Janine Haberland


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