In bestimmten Fällen schuldet nicht der leistende Unternehmer die Umsatzsteuer, sondern der Auftraggeber. Dieses Verfahren, bekannt als Reverse-Charge, ist vor allem für Handwerksbetriebe, Bauunternehmen und Dienstleister relevant.
1. Grundsätze der Steuerschuldnerschaft
Normalerweise weist der leistende Unternehmer Umsatzsteuer in der Rechnung aus und führt sie ans Finanzamt ab. Beim Reverse-Charge-Verfahren übernimmt der Auftraggeber diese Pflicht.
2. Häufige Szenarien
§ 13b UStG listet zwölf Sachverhalte auf. Besonders relevant für das Handwerk sind:
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Leistungen von im Ausland ansässigen Unternehmen
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Bauleistungen
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Gebäudereinigung
3. Leistungen von im Ausland ansässigen Unternehmen
Erbringt ein ausländisches Unternehmen Leistungen in Deutschland, muss der Auftraggeber die Umsatzsteuer berechnen und abführen. Dies sichert die Besteuerung grenzüberschreitender Leistungen.
4. Ansässigkeitsbescheinigung fordern
Bei Zusammenarbeit mit ausländischen Subunternehmern sollte eine Ansässigkeitsbescheinigung vorgelegt werden. Ohne diese greift automatisch das Reverse-Charge-Verfahren, und der Auftraggeber haftet für die Umsatzsteuer.
5. Reverse-Charge bei Bauleistungen
Erbringt ein Auftraggeber selbst nachhaltig Bauleistungen (mindestens 10 % seines Umsatzes), greift § 13b Abs. 2 Nr. 2 UStG.
Beispiele:
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Ein Handwerksbetrieb erbringt 100 % Bauleistungen und beauftragt einen Subunternehmer → Reverse-Charge greift.
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Eine selbstständige Friseurin beauftragt ein in Deutschland ansässiges Bauunternehmen → Reverse-Charge greift nicht.
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Dieselbe Friseurin beauftragt ein in Polen ansässiges Bauunternehmen → Reverse-Charge greift wegen Auslandsansässigkeit.
6. Besonderheit für Kleinunternehmer
Kleinunternehmer nach § 19 UStG müssen normalerweise keine Umsatzsteuer abführen. Bei Leistungen nach § 13b UStG sind sie jedoch verpflichtet, die Umsatzsteuer zu berechnen und ans Finanzamt abzuführen.
7. Nullsummenspiel
Die Abführung der Umsatzsteuer durch den Auftraggeber ist meist ein Nullsummenspiel, da gleichzeitig Vorsteuer geltend gemacht werden kann. Ausnahme: Kleinunternehmer oder nicht vorsteuerabzugsberechtigte Auftraggeber.
8. Vorsteuerabzug
Beim Reverse-Charge-Verfahren bleibt der Vorsteuerabzug bestehen, selbst wenn die Rechnung nicht alle formalen Angaben enthält (§ 14 Abs. 4 UStG).
9. Gebäudereinigung
Reverse-Charge greift auch bei Gebäudereinigungsleistungen, wenn der Auftraggeber selbst nachhaltig Reinigungsleistungen erbringt.
Typische Leistungen: Reinigung von Gebäuden, Hausfassaden, Fenster, Dachrinnen, Bauendreinigung, haustechnische Anlagen.
Nicht umfasst: Schornsteinreinigung, Schädlingsbekämpfung, Winterdienst, Reinigung von Inventar, Arbeitnehmerüberlassung.
10. Beispiele Gebäudereinigung
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Selbstständiger Gebäudereiniger beauftragt Subunternehmer → Reverse-Charge greift.
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Rentnerin beauftragt Gebäudereiniger → Reverse-Charge greift nicht.
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Auftraggeber nicht nachhaltig, Subunternehmer im Ausland → Reverse-Charge greift.
11. Steuerrisiken vermeiden
Wird Reverse-Charge nicht korrekt angewendet, drohen finanzielle Nachteile: Auftraggeber zahlt Umsatzsteuer, die ggf. doppelt gefordert wird. Der leistende Unternehmer haftet nach § 14c UStG für zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer.
12. Zusammenfassung
Für Unternehmer ist es entscheidend, die Regeln zur Umkehr der Steuerschuldnerschaft zu kennen, um:
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Rechnungen korrekt auszustellen
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Vorsteuerabzug sicherzustellen
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Haftungsrisiken zu vermeiden
Quelle: Deutsche Handwerkszeitung, 2025
Herzlichst,
Janine Haberland